Sie haben zuletzt unter anderem über eine jugendliche Widerstandsbewegung gegen die Nationalsozialisten und über die Abenteuer junger Flüchtlinge geschrieben. Warum nun ein Roman über Hacker?
Hacker und Hackerinnen, um genau zu sein. Diese Subkultur ist in vielerlei Hinsicht symptomatisch für unsere Zeit. Sie steht für ein digital und global orientiertes Lebensgefühl, für den Glauben oder besser die Illusion, mit technischen Mitteln die Probleme der Menschheit lösen zu können, sowie für die Chancen, aber auch Gefahren einer über das Internet vernetzten Welt. Hacker*innen sind so etwas wie die Avantgarde der digitalen Jugendkultur. Vor allem aber bieten sie die Möglichkeit, eine ungemein spannende Geschichte zu erzählen, was für einen Jugendroman letztlich das Entscheidende ist.
Der Roman schildert sehr genau die Methoden der Hacker. Auch das Lebensgefühl und die Sprache dieser Subkultur werden authentisch beschrieben. Wie sind Sie an die ganzen Hintergrundinformationen gekommen?
Ich habe versucht, direkt innerhalb der Szene zu recherchieren. Zunächst bei »legalen« Hackern, die davon leben, die Netzwerke von Unternehmen oder auch Behörden auf Sicherheitslücken zu testen und diese Schwachstellen zu beseitigen. Darüber bin ich dann mit Leuten in Kontakt gekommen, die weniger legal im Darknet und sonstwo unterwegs sind. Diese Kontakte waren mit wenigen Ausnahmen anonym. Außerdem habe ich verschiedene Foren und andere Portale besucht, die von Hacker*innen frequentiert werden. So hatte ich insgesamt einen ganz guten Einblick.
Die literarische Technik des Romans ist ungewöhnlich. Erzählperspektiven, Zeitebenen und literarische Stile wechseln permanent. Was ist der Grund dafür?
Mir war von Anfang an klar, dass die Thematik eine besondere Herangehensweise erfordert, eine eigene Art der literarischen Gestaltung. Das Lebensgefühl in der Hackerszene ist schnell, unstet, sarkastisch, respektlos und geprägt von Misstrauen gegenüber Traditionen und vermeintlichen Gewissheiten. Genau das soll die Form des Romans widerspiegeln. Nichts darin ist von Dauer, alles verändert sich, nie gibt es festen Boden unter den Füßen, immer wird alles in Frage gestellt. Es geht um die Kongruenz von Inhalt und Form.
Es fällt auf, dass die Protagonisten Ihres Romans – vereinfacht gesprochen – die »Guten« sind. In der öffentlichen Wahrnehmung gelten Hacker dagegen meistens als Kriminelle. Beschönigen Sie da nicht die Realität?
Nein, das hat mit Beschönigen nichts zu tun. Der Grund für die Diskrepanz ist eher eine Verzerrung der öffentlichen Wahrnehmung. Die Hackerszene ist extrem heterogen, sie reicht von »ethischen« Hackern, in der Szene auch »White Hats« genannt, und Hacktivisten, die ein politisches oder gesellschaftliches Engagement verfolgen, bis zu Cyberkriminellen, den »Black Hats«, und Cyberwarriors im Auftrag diverser Militärs und Geheimdienste. Im öffentlichen Bewusstsein dominieren einseitig die letztgenannten Gruppen. Die Hacker*innen in meinem Roman dagegen sind Hacktivisten. Das ist einfach etwas anderes.
Personen wie Edward Snowden, Julian Assange oder Jeremy Hammond gelten den Hackern im Roman als Vorbilder. Wie schätzen Sie diese Persönlichkeiten ein?
Edward Snowden ist in meinen Augen ein Held, ich bewundere seine Konsequenz und seinen Mut. Er hat extreme persönliche Risiken in Kauf genommen, um auf politische Missstände aufmerksam zu machen. Julian Assange hat als Hacker in Melbourne sicher zweifelhafte Sachen gemacht, ist seit der Begründung von WikiLeaks aber zu einem der wichtigsten investigativen Journalisten unserer Zeit geworden. Jeremy Hammond sitzt seit Jahren im Gefängnis, weil er Daten aus dem Netzwerk des Spionagedienstleisters Stratfor an WikiLeaks weitergegeben hat. Der Umgang mit diesen Leuten ist bezeichnend für unsere Zeit – und beschämend.
»Perfect Storm« ist ein sehr politischer Roman. Er behandelt zum Beispiel die Verfehlungen global operierender Konzerne, die Praktiken der Geheimdienste, das Thema Macht und Moral. Worum geht es Ihnen?
Ich möchte eine spannende Geschichte erzählen, die zugleich etwas über unsere Zeit aussagt. In dem Roman geht es um die ethischen Grundlagen wirtschaftlichen Handelns, um Menschenrechtsverletzungen, um die Deutungshoheit über das Internet oder auch um den Gegensatz zwischen Recht und Moral. Wenn man das so sagt, klingt es furchtbar langweilig. Das ist es aber nicht. Ich möchte eines zeigen: Wenn man diese Dinge richtig erzählt, wird ein echter Thriller daraus.